Baukunst - Generation Bauwende: Wie junge Architekten die Spielregeln ändern
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Generation Bauwende: Wie junge Architekten die Spielregeln ändern

23.07.2025
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Ignatz Wrobel

MAX45-Nachwuchspreis 2025: Neue Wege in der Architekturausbildung

Am 3. Juli 2025 wurde in Hannover der MAX45-Nachwuchspreis verliehen – ein Signal für die Bedeutung junger Architektinnen und Architekten in einer Zeit des Umbruchs. Mit der zweiten Ausgabe nach 2021 und der erstmaligen Beteiligung des BDA Hamburg erweitert sich das Netzwerk der Nachwuchsförderung im Norden Deutschlands. Die Resonanz spricht für sich: 38 eingereichte Arbeiten dokumentieren nicht nur gestalterische Qualität, sondern auch den Mut junger Büros, neue Wege zu gehen.

Lernen am realen Projekt

Die prämierten Arbeiten des MAX45-Preises zeigen exemplarisch, wie sich Architekturausbildung und Berufspraxis verzahnen können. Das Spektrum der Prämierungen reicht vom kleinen Ferienhaus auf einem Bauernhof an der Ostsee bis zum Neubau einer inklusiven Grundschule in Gehrden, vom Einfamilienhaus in Hamburg bis zum genossenschaftlichen Projekt auf dem Gelände einer ehemaligen Brennerei in Mecklenburg-Vorpommern. Jedes dieser Projekte erzählt von einem spezifischen Lernprozess: Wie entstehen aus akademischem Wissen praktische Lösungen? Wie werden aus Studierenden verantwortungsbewusste Gestalterinnen und Gestalter unserer Umwelt?

Besonders bemerkenswert ist der Umbau eines ehemaligen Tante-Emma-Ladens, der mit überwiegend recycelten Materialien realisiert wurde. Hier zeigt sich, dass die junge Generation nicht nur theoretisch über Nachhaltigkeit diskutiert, sondern konkrete Antworten auf die Herausforderungen der Bauwende entwickelt. Diese Projekte fungieren als Reallabore, in denen Theorie und Praxis verschmelzen – eine Form der Ausbildung, die weit über die Hörsäle hinausreicht.

Die Hürden der Nachwuchsförderung

„Der zunehmend erschwerte Zugang für Nachwuchsarchitekten zu öffentlichen Aufträgen oder Wettbewerbsteilnahmen bedeutet auch, Themen der Bauwende und vor allem Innovation gepaart mit herausragender Gestaltung nur in kleinem Maßstab verarbeiten zu können”, konstatiert Juryvorsitzende Susanne Brorson. Diese strukturelle Benachteiligung junger Büros ist mehr als ein wirtschaftliches Problem – sie ist eine Bildungslücke im System. Wenn innovative Ansätze nur im Kleinen erprobt werden können, fehlt der Architekturausbildung ein wesentliches Element: die Skalierung von der Idee zum gesellschaftlich wirksamen Projekt.

Die Jury, bestehend aus erfahrenen Architektinnen und Architekten wie Claus Sesselmann, Martin Pampus, Christian Schmieder, Tatjana Sabljo, Finn Warncke und Peter von Klitzing, erkannte in den eingereichten Arbeiten jedoch genau diese Qualität: „Umso mehr muss man die ausgezeichneten kleinen, experimentellen und prozesshaften Projekte würdigen, die mit minimalem Budget und hohem, gerade auch sozialem Engagement als Vorbilder gelten dürfen für eine zeitgemäße Architektur, die den Herausforderungen unserer Zeit gerecht wird und sich als Gesellschaftskunst versteht”, so Brorson weiter.

Neue Allianzen für die Ausbildung

Die Kooperation der BDA-Landesverbände Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und neu auch Hamburg mit der VHV Allgemeine Versicherung AG zeigt, wie wichtig strategische Partnerschaften für die Nachwuchsförderung sind. „Mit dem Preis wird seit 2014 eine Bühne geschaffen für eine Generation, die nicht nur mit frischen Ideen, sondern auch mit großer Ernsthaftigkeit an die architektonischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit herangeht”, erklärt Dr. Sebastian Reddemann, Vorstandssprecher der VHV Allgemeine.

Diese Form der Förderung geht über monetäre Aspekte hinaus. Die mit insgesamt 10.000 Euro dotierten fünf gleichwertigen Preise sind wichtig, doch mindestens ebenso bedeutsam ist die Sichtbarkeit, die den jungen Büros verschafft wird. „Was alle Beiträge eint, ist die Suche nach Haltung, nach Relevanz, nach zukunftsfähigen Antworten auf eine gebaute Umwelt im Wandel”, betont Tatjana Sabljo, Landesvorsitzende des BDA Niedersachsen.

Wanderausstellung als Bildungsformat

Ein besonderes Augenmerk verdient das pädagogische Konzept hinter dem MAX45-Preis. Die Wanderausstellung, die am 22. Juli 2025 an der Technischen Hochschule Lübeck eröffnet wird und anschließend durch alle beteiligten Bundesländer tourt, ist mehr als eine Präsentation von Gewinnerprojekten. Sie fungiert als mobiles Klassenzimmer, in dem Studierende, Lehrende und Praktizierende in Dialog treten können.

Neben den fünf Preisträgern und drei Arbeiten der engeren Wahl hat die Jury neun weitere Projekte für die Ausstellung ausgewählt. Diese Breite der Präsentation ermöglicht einen umfassenden Einblick in die Vielfalt junger Architektur und schafft Identifikationsmöglichkeiten für unterschiedliche Herangehensweisen. Die Dokumentation in einer begleitenden Broschüre sichert zudem die nachhaltige Vermittlung der Erkenntnisse.

Interdisziplinäre Ansätze als Zukunftsmodell

Die eingereichten Projekte zeigen deutlich: Die Zukunft der Architekturausbildung liegt in der Überwindung disziplinärer Grenzen. Ob genossenschaftliche Wohnprojekte, inklusive Schulbauten oder nachhaltige Umnutzungen – überall zeigt sich, dass architektonische Exzellenz heute mehr erfordert als gestalterisches Können. Soziale Kompetenz, ökologisches Bewusstsein und wirtschaftliches Verständnis müssen integral vermittelt werden.

Der MAX45-Preis dokumentiert diesen Paradigmenwechsel in der Ausbildung. Die Altersgrenze von 45 Jahren mag zunächst großzügig erscheinen, spiegelt aber die Realität wider: Viele Architektinnen und Architekten benötigen nach dem Studium Jahre der Praxiserfahrung, bevor sie eigene Projekte realisieren können. Diese Zeitspanne produktiv zu gestalten, ist eine der großen Herausforderungen der Nachwuchsförderung.

Digitale Transformation und handwerkliche Tradition

Ein weiterer Aspekt, der in den prämierten Arbeiten sichtbar wird, ist die Synthese aus digitalen Planungsmethoden und traditionellem Handwerk. Gerade die Projekte mit recycelten Materialien zeigen, dass Innovation nicht zwangsläufig High-Tech bedeutet. Die Fähigkeit, vorhandene Ressourcen neu zu denken und mit einfachen Mitteln große Wirkung zu erzielen, wird zu einer Kernkompetenz zukünftiger Generationen.

Diese Haltung muss bereits in der Ausbildung verankert werden. Es geht nicht darum, entweder digital oder analog zu arbeiten, sondern die jeweils angemessenen Werkzeuge situativ einzusetzen. Der MAX45-Preis zeigt: Die erfolgreichsten jungen Büros sind jene, die diese Flexibilität beherrschen.

Ausblick: Nachwuchsförderung als Daueraufgabe

Mit der erfolgreichen zweiten Ausgabe des MAX45-Preises etabliert sich ein Format, das weit über eine bloße Auszeichnung hinausgeht. Es entsteht ein Netzwerk junger Büros, die voneinander lernen und gemeinsam die Architektur von morgen gestalten. Die Erweiterung um den BDA Hamburg zeigt die Dynamik dieser Bewegung.

Für die Architekturausbildung bedeutet dies: Der Blick muss sich weiten. Nicht nur die Hochschulen sind Orte des Lernens, sondern auch die ersten Berufsjahre, die kleinen Projekte, die mutigen Experimente. Der MAX45-Preis macht sichtbar, was oft im Verborgenen blüht: eine Generation, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und neue Wege zu gehen. Diese Generation verdient nicht nur Preise, sondern vor allem Chancen – in Wettbewerben, bei öffentlichen Aufträgen und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Denn die Zukunft des Bauens wird heute ausgebildet.